Lebenshilfe und Lewitz-Werkstätten übergeben Brief mit Wünschen an Bürgermeister Dirk Flörke
Keine Demonstration, kein Protestschreiben, stattdessen ein unter Glas gerahmter Brief an die Stadt Parchim: Der Lebenshilfeverein Parchim und die Lewitz-Werkstätten nehmen den Europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung 2023 zum Anlass, um darin zuerst das Erreichte in den Focus zu rücken.
Beispiel für ein Klima des Miteinanders in Parchim sei das Anfang 2020 bezogene Giebelhaus-Quartier in der Altstadt: Es beherbergt eine Wohngemeinschaft, eine Begegnungsstätte für geistig behinderte Menschen sowie Beratungsangebote. Eine gerontopsychiatrische Tagesgruppe ist geplant.
Mit dem Giebelhaus-Projekt sei es gelungen, Menschen mit Beeinträchtigungen in die Mitte der Gesellschaft zu holen, sagt Kathleen Ladwig-Skiba, Bereichsleiterin Wohnen bei den gemeinnützigen Lewitz-Werkstätten.
Gemeinsam mit der Lebenshilfe-Vorsitzenden Heidrun Lompart überreichte sie am 3. Mai einen Brief an Bürgermeister Dirk Flörke. Adressaten sind ebenfalls die politischen Entscheidungsträger in der Stadtvertretung. Das Schreiben beginnt mit einem positiven Feedback: „Danke, dass wir ein Teil von Parchim sind. Danke, dass Sie an uns denken und uns in der Planung berücksichtigen. Danke, dass wir uns gemeinsam für Gleichberechtigung stark machen.“
Das wird auch weiterhin nötig sein. Im Alltag wünschen sich die Verfasser des Briefes „vor allem Barrierefreiheit sowie eine gleichberechtigte Teilhabe“. Sie haben auch gleich einige Ideen zusammengefasst „wie wir gemeinsam Parchim noch schöner und lebenswerter machen können“: Ganz oben auf der Wunschliste: Barrierefreie Gehwege, eine Schwimmhalle, Sporträume, wo man nicht „auffällt“, wenn man nicht so sportlich sei.
„Wir wünschen uns einen Ort, um Dart zu spielen, nicht nur in der Wohnanlage, sondern gemeinsam mit anderen. Wir wünschen uns vielfältige Freizeitmöglichkeiten, wo wir willkommen sind.“ Gemeint sind die Theatergruppe, der Chor, der Fußballverein, alles, was mit Musik zu tun habe.
Um noch mehr Teil unserer Gesellschaft zu sein, regen die Unterzeichner eine Begegnungsstätte für Menschen mit und ohne Behinderung an, wo man zum Beispiel gemeinsam Kaffee trinken könne. Als geeigneter Ort wird von ihnen das alte Parchimer Kino ins Gespräch gebracht.
Ganz persönliche Wünsche von Menschen mit Behinderung aus Parchim seien eine Busfahrt mit allen Bewohnern der Wohnanlage nach Hamburg, ein Ausflug in die Kulturmühle oder an die Ostsee. Der Satz „Ich möchte ohne Schwierigkeiten mit der Bahn nach Schwerin fahren“ lässt erahnen, wie vielen Alltagshürden Betroffene ausgesetzt sind.
Der Europäische Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung wird jährlich am 5. Mai begangen und steht 2023 unter dem Motto „Zukunft barrierefrei gestalten“. In Mecklenburg-Vorpommern hat laut Statistischem Amt etwa jeder achte Einwohner eine schwere Behinderung. Diese Beeinträchtigungen seien überwiegend auf Krankheiten zurückzuführen. Nur etwa fünf Prozent der Betroffenen in MV sind auch mit einem Handicap geboren worden. Text/Foto: Christiane Großmann